Therapien

Eine kurze Einführung in die Verhaltenstherapie und in verschiedene Behandlungsansätze in der Psychotherapie

Die Verhaltenstherapie ist ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren. Sie stützt sich direkt auf Erkenntnisse aus der Forschung in Psychologie und weiteren Wissenschaften (Margraf und Schneider, 2018).

Die (kognitive) Verhaltenstherapie geht davon aus, dass psychische Beschwerden das Ergebnis von bewussten und nicht bewussten Lernprozessen sind. Zu Beginn der Behandlung wird gemeinsam mit dem Patienten erarbeitet, welche Bedingungen seiner Lebensgeschichte und seiner aktuellen Lebenssituation zur Entstehung und Aufrechterhaltung der psychischen Problematik beigetragen haben und weiter wirksam sind. Auf dieser Grundlage werden gemeinsam die Therapieziele und der Behandlungsplan festgelegt. In der kognitiven Verhaltenstherapie wird der Patient zur aktiven Veränderung seines Handelns, Denkens und Fühlens motiviert und angeleitet. Die kognitive Verhaltenstherapie ist die am häufigsten angewandte Therapie, die bei einem breiten Spektrum psychischer Störungen am erfolgversprechensten ist. Bei der KVT geht es um ein konkretes Problem, bei dem sich der Patient seine Sichtweisen und Gefühle bewusst wird und diese dann hinterfragen soll. Der Patient erlernt anschließend Techniken, mit denen er seine seelischen Probleme und psychischen Erkrankungen bewältigen kann. Die Verhaltenstherapie ist somit problem- und lösungsorientiert. Zudem werden die dabei bereits vorhandenen Stärken und Fähigkeiten herausgearbeitet und für den Veränderungsprozess nutzbar gemacht. Eine Weiterentwicklung der Verhaltenstherapie ist zudem die Anwendung von achtsamkeitsbasierten Strategien.

Die Schematherapie wurde in den 1990er Jahren von Jeffrey Young in den USA entwickelt und ist eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, v.a zur Behandlung chronischer Persönlichkeitsprobleme. Sie ist eine integrative Psychotherapie und erweitert somit das kognitiv verhaltenstherapeutische Modell und Vorgehen mit Ansätzen aus der Bindungstheorie (Bowlby), der Gestalttherapie (Perls), Ego-state Therapien (Watkins), emotionsfokussierten (Greenberg) und psychoanalytischen (Freud) Auffassungen. Das wesentliche Ziel der Schematherapie ist die Heilung früher maladaptiver Schemata. Schemata sind dauerhafte, ungünstige Muster von Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen, die das Verhalten in einer konkreten aktuellen Situation steuern. Diese negativen Selbstschemata bilden sich als Reaktion auf frühe negative Erfahrungen aus. Dieses maladaptive Schema-Coping führt zur Aufrechterhaltung der negativen Selbstschemata, die sich zunehmend festigen und dauerhaften Leidensdruck und Vulnerabilität verursachen.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie wurde in den 1980er Jahren von Marsha Linehan (University of Washington, Seattle, USA) als störungsspezifische ambulante Therapie für chronisch suizidale Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) als auch für Patienten mit chronischen Depressionen entwickelt und gilt derzeit als das am besten wissenschaftlich abgesicherte Verfahren. Methodisch integriert die DBT ein weites Spektrum der Verhaltenstherapie, der kognitiven Therapie, der Gestalttherapie, der Hypnotherapie und dem Zen (Zustand meditativer Versenkung). Selbstbeobachtungsprotokolle, Verhaltensanalysen, Fertigkeitentraining zur Stresstoleranz, zur Emotionsmodulation, zur Verbesserung der inneren Achtsamkeit, zur Erhöhung zwischenmenschlicher Fertigkeiten, Verbesserung des Selbstwertes als auch der Körperwahrnehmung sind wesentliche Inhalte der DBT, die zur Stabilisierung dieser chronisch erkrankten Patienten führen.

Die Traumatherapie ist eine psychotherapeutische Methode, die zur Bewältigung von traumatischen Störungen, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als auch der komplexen PTBS eingesetzt wird. Typische Symptome sind  ein ungewolltes Wiedererleben von Aspekten des Traumas z.B. in Form von „Flashbacks“ oder Alpträumen, erhöhte Erregung wie Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen. Scham, Schuld, Wertlosigkeit, als auch übermäßiges Misstrauen in sozialen Situationen sind die Folgen, sowie die Vermeidung von Situationen, Gesprächen und anderen Reizen, die an das Trauma erinnern. 

Die Traumatherapie hilft Menschen, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten, die das eigene Weltbild erschüttert und Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein hervorrufen haben. In der Traumatherapie lernen die Betroffenen ihr Leben wieder in die Hände zu nehmen und nach vorne zu blicken (Reddemann 2001).

Die Traumatherapie basiert auf einer Kombination von stützend stabilisierenden als auch kognitiven Techniken verbunden mit Expositionsverfahren. In-vivo-Exposition mit Reizen, die an das Trauma erinnern, aber bisher vermieden wurden (Ehlers und Clark 1999) als auch die EMDR (Eye-movement-Desensitization and Reprocessing) werden angewandt, damit der Patient das traumatische Erlebnis als Teil der Vergangenheit zu akzeptieren lernt (Pieper 2021).

Behandlungsspektrum

Das Geheimnis des Wandels besteht darin, seine ganze Energie nicht auf den Kampf gegen das Alte, sondern auf den Aufbau des Neuen zu richten.

SOKRATES

Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und zählen zu den affektiven Störungen. Kernsymptome sind eine deutlich gedrückte Stimmung, Interessenlosigkeit, Antriebsminderung, innere Leere und oft begleitet von erhöhter Ängstlichkeit und rascher Ermüdbarkeit. Lebensumstände und erbliche Veranlagung können die Entstehung begünstigen. Symptome einer Depression halten über mindestens 2 Wochen an und können mehrere Wochen bestehen bleiben.  

Die manische Störung (gehobene Stimmung) als auch die bipolare Störung zählen auch zu den affektiven Störungen. Bei der bipolaren Störung treten einmal die gehobene Stimmung vermehrter Antrieb und Aktivität (Manie oder Hypomanie) und dann wieder eine Stimmungssenkung, verminderter Antrieb (Depression) auf.

Anhaltende affektive Störungen sind die Zyklothymia und die Dysthymia:

  • Bei der Zyklothymia handelt es sich um eine andauernde Instabilität der Stimmung, mit zahlreichen Perioden leichter Depression und leicht gehobener Stimmung.
  •  Bei der Dysthymia liegt eine chronische depressive Verstimmung vor. Sie erfüllt jedoch die Kriterien einer leichten oder mittelgradigen rezidivierenden depressiven Störung nicht. Tage und Wochen positiven Befindens wechseln sich bei der Dysthymia mit dem meistens vorliegenden negativen Befinden wie starke Müdigkeit, depressive Verstimmungen, alles ist eine Anstrengung und nichts wird genossen ab. Jedoch gelingt es in der Regel mit den wesentlichen Anforderungen des Lebens fertig zu werden.

Als Angststörungen bezeichnet man eine Gruppe psychischer Störungen, die ihre Gemeinsamkeit in einem übersteigerten Angstempfinden haben. Betroffene Menschen erleben eine ausgeprägte Angst und körperliche Angstsymptome, die meist so stark sind, dass sie das alltägliche Leben beeinträchtigen.

Bei den phobischen Störungen wird die Angst überwiegend durch allgemein ungefährliche Situationen oder Objekte hervorgerufen. Diese Situationen oder Objekte werden gemieden oder unter voller Angst ertragen. Zu den phobischen Ängsten gehören:

Agoraphobie. Sie zeigt sich durch Angst vor offenen Plätzen, Menschenmengen oder die Schwierigkeit, sich wieder sofort und leicht auf einen sicheren Platz, im Allgemeinen zu Hause, zurückziehen zu können.

Soziale Phobie. Sie äußert sich durch eine dauerhafte oder häufig wiederkehrende übertriebene Angst vor einer oder mehreren sozialen Situationen oder Leistungssituationen, bei denen eine Interaktion mit anderen Menschen stattfindet oder erwartet wird, wie Sprechen oder Essen in der Öffentlichkeit, sich zu blamieren. Verbunden sind somatische Reaktionen wie Erröten, Zittern, Schwitzen. Die Symptome können sich bis hin zu Panikattacken verstärken.

Spezifische Phobien sind auf ganz spezifische Situationen beschränkt wie Tiere, Höhen, Donner, Dunkelheit, geschlossene Räume, Examensangst, Spritzenangst etc.

Weitere Angststörungen sind u.a.:

Panikstörung äußert sich durch wiederholende schwere Angstattacken, die sich nicht auf ein spezifisches Objekt oder auf bestimmte Umstände beschränken und deshalb auch nicht vorhersehbar sind. Verbunden sind diese Angstattacken mit körperlichen Symptomen wie Brustschmerz, Erstickungsgefühl, Schwindel, Furcht zu sterben, Angst vor Kontrollverlust und Angst wahnsinnig zu werden.

Generalisierte Angststörung: Das wesentliche Symptom der GAS ist eine generalisierte und anhaltende Angst, die nicht auf bestimmte Situationen in der Umgebung beschränkt ist. Ständige körperliche Symptome wie Nervosität, Zittern, Muskelanspannung, Schwitzen sind vorhanden und immer die extreme Sorge über ein zukünftiges Unglück.

Das wesentliche Kennzeichen dieser Störung sind wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen.

Zwangsgedanken sind Vorstellungen oder Impulse, die den Betroffenen immer wieder stereotyp beschäftigen. Sie sind fast immer sehr quälend, weil sie gewalttätigen Inhalts oder obszön sind oder weil sie einfach als sinnlos erlebt werden. Erfolglos versucht die betroffene Person Widerstand zu leisten.

Zwangshandlungen oder Zwangsrituale sind ständig wiederholte Stereotypien verbunden mit vegetativen Angstsymptomen und quälender innerer Anspannung. Zwangshandlungen werden oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis erlebt, das ihnen Schaden bringt oder bei dem sie selbst Unheil anrichten könnten, wie Waschzwänge, Kontrollzwänge, Ordnungszwänge, Zählzwänge…

Wesentliche Faktoren sind ein außergewöhnliches belastendes Lebensereignis, das eine akute Belastungsreaktion hervorruft oder eine besondere Veränderung im Leben, die zu einer anhaltend unangenehmen Situation geführt hat und schließlich eine Anpassungsstörung hervorruft.

Akute Belastungsreaktion: Sie ist eine vorübergehende Störung von beträchtlichem Schweregrad, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche, körperliche oder seelische Belastung entwickelt und im Allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt.

Anpassungsstörungen: Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf ein einmaliges oder fortbestehendes belastendes Lebensereignis (z.B. Trauerfall, Trennung, Verlust der Arbeit, Emigration, schwere körperliche Erkrankung), die sich in  negativen Veränderungen des Gemütszustandes (affektive Symptome) oder auch in Störungen des Sozialverhaltens (zwischenmenschlich) ausdrückt.

 

Die PTBS ist eine schwere psychische Beeinträchtigung, die nach einem (oder mehreren) traumatischen Ereignissen auftritt. Sie zeigt sich durch belastend aufdringliche Gedanken, Alpträume und Flashbacks. Erinnerungen an das Trauma werden vermieden, ebenso das Sprechen über das Ereignis. Die Betroffenen versuchen Erinnerungen an das Erlebnis aus dem Kopf zu drängen und nicht an die schlimmsten Momente des Traumas zu denken. Der emotionale Zustand der Betroffenen reicht von intensiver Furcht, Ärger, Trauer, Schuld oder Scham bis hin zu emotionaler Taubheit. Die Betroffenen beschreiben oft, dass sie sich entfremdet von anderen Menschen fühlen und geben Kontakte und Aktivitäten auf, die ihnen vorher wichtig waren. Sie zeigen eine Reihe von Symptomen autonomer Überregung wie eine erhöhte Vigilanz, starke Schreckreaktionen, Reizbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen.

Unter psychosomatischen Erkrankungen versteht man Erkrankungen, deren Ursache sich nicht oder nicht vollständig körperlich erklären lassen. Seelische Belastungen, Stress, Lebenskrisen oder traumatische Erfahrungen können körperliche Beschwerden auslösen oder verstärken. Aber auch körperliche Erkrankungen bzw. Beschwerden können die Psyche stark belasten. Man spricht dann von sogenannten somatophysischen Reaktionen.

Das Charakteristikum der somatoformen Störungen ist die wiederholte Darbietung körperlicher Symptome in Verbindung mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen trotz wiederholter negativer Ergebnisse und Versicherung der Ärzte, dass die Symptome nicht körperlich begründbar sind.

Somatisierungsstörung: Charakteristisch für die somatoformen Störungen sind die häufig auftretenden und wechselnden körperlichen Symptome, die meist seit einigen Jahren bestehen. Die Symptome können sich auf jedes Körperteil oder Körpersystem beziehen wie gastrointestinale Beschwerden, bei denen Schmerz, Aufstoßen, Erbrechen, Übelkeit… auftreten oder abnorme Hautempfindungen wie Jucken, Brennen, Prickeln, Taubheitsgefühl…Die betroffenen Personen weigern sich hartnäckig die Versicherung mehrerer Ärzte anzunehmen, dass für diese Symptome keine körperliche Erklärung zu finden ist. Abhängigkeit oder Missbrauch von Medikamenten vor allem Tranquilizer oder Analgetika sind oft das Ergebnis zahlreicher medikamentöser Behandlungen.

Hypochondrische Störung:  Das vorherrschende Kennzeichen ist die beharrliche Beschäftigung, an einer oder mehreren Krankheiten zu leiden und die dauernde Beschäftigung mit den anhaltenden körperlichen Beschwerden und der ständigen Beschäftigung mit der eigenen körperlichen Erscheinung.

Somatoforme autonome Funktionsstörung: Bei der somatoformen autonomen Funktionsstörung steht die Symptomatik hauptsächlich mit Organen in Verbindung, die vom vegetativen Nervensystem innerviert und gesteuert werden (Herz-Kreislauf-System, Gastrointestinaltrakt, Urogenilaltrakt und Respirationstrakt). Wie bei allen Arten der somatoformen Störungen lässt sich die Symptomatik nicht ausreichend durch somatische Störungen alleine erklären.

Anhaltende somatoforme Schmerzstörung: Es liegt ein andauernder, schwerer und quälender Schmerz vor, der durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht vollständig erklärt werden kann. Der Schmerz tritt in Verbindung mit emotionalen Konflikten oder psychosozialen Problemen auf.

 

Es zwei Hauptformen der Neurasthenie:

  • Bei einer Hauptform ist das Hauptcharakteristikum die Klage über vermehrte Müdigkeit nach geistigen Anstrengungen
  • Bei der anderen Form liegt das Schwergewicht auf Gefühlen körperlicher Schwächen und Erschöpfung nach nur geringer Anstrengung, begleitet von muskulären oder anderen Schmerzen und die Unfähigkeit sich zu entspannen.

Beide Typen sind mit unangenehmen körperlichen Empfindungen, wie Schwindelgefühle, Spannungskopfschmerzen und einem Gefühl, allgemeiner Unsicherheit verbunden.

Hier liegt eine schwere Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens vor und geht meist mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen treten häufig erstmals in der Kindheit oder in der Pubertät auf und manifestieren sich endgültig im Erwachsenenalter.

  • Sie zeigt sich durch übertriebene Empfindlichkeit bei Rückschlägen und Zurücksetzung
  • Neigung zu ständigem Groll
  • Misstrauen und eine starke Neigung, Erlebtes zu verdrehen
  • streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf die eigenen Rechte
  • Häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners
  • Tendenz zu starkem erhöhten Selbstwertgefühl
  • Inanspruchnahme durch ungerechtfertigte Gedanken an Verschwörungen als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung und in aller Welt»
  • Wenige oder überhaupt keine Tätigkeiten bereiten Vergnügen
  • Emotionale Kühle, Distanziertheit oder flache Affektivität
  • Geringe Fähigkeit, warme zärtliche Gefühle oder auch Ärger anderen gegenüber zu zeigen
  • Anscheinende Gleichgültigkeit gegenüber Lob oder Kritik
  • Wenig Interesse an sexuellen Erfahrungen mit einer anderen Person (unter Berücksichtigung des Alters)
  • Übermäßige Vorliebe für einzelgängerische Beschäftigungen
  • Übermäßige Inanspruchnahme durch Fantasie und Introspektion
  • Mangel an engen Freunden oder vertrauensvollen Beziehungen (oder höchstens zu einer Person) und fehlender Wunsch nach solchen Beziehungen
  • Deutlich mangelnde Sensibilität im Erkennen und Befolgen gesellschaftlicher Regeln
  • Kaltes Unbeteiligtsein und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer
  • Grobe und andauernde Verantwortungslosigkeit und Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen
  • Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen, aber keine Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen
  • Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten
  • Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewusstsein oder zum Lernen aus Erfahrung besonders Bestrafung
  • Ausgeprägte Neigung, andere zu beschuldigen oder einleuchtende Rationalisierungen für das eigene Verhalten anzubieten, durch welches die Person in einen Konflikt mit der Gesellschaft geraten ist

Anhaltende Reizbarkeit kann ein zusätzliches Merkmal sein. Eine Störung des Sozialverhaltens in der Kindheit und Jugend stützt die Diagnose, muss aber nicht vorgelegen haben.

Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, impulsiv zu handeln ohne Berücksichtigung von Konsequenzen verbunden mit wechselnder, instabiler Stimmung. Die Fähigkeit, vorauszuplanen ist gering und Ausbrüche intensiven Ärgers können zu oft gewalttätigem und explosivem Verhalten führen; dieses Verhalten wird leicht ausgelöst, wenn von anderen impulsive Handlungen kritisiert oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen dieser Persönlichkeitsstörung können näher beschrieben werden, bei beiden finden sich Impulsivität und mangelnde Selbstkontrolle.

a) Impulsiver Typ

Die wesentlichen Charakterzüge sind emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Ausbrüche von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten sind häufig, vor allem bei Kritik durch andere.

b) Borderline-Typ

Einige Kennzeichen emotionaler Instabilität sind vorhanden, zusätzlich sind oft das eigene Selbstbild, Ziele und „innere Präferenzen“ (einschließlich der sexuellen) unklar und gestört. Meist besteht ein chronisches Gefühl innerer Leere. Die Neigung zu intensiven, aber unbeständigen Beziehungen kann zu wiederholten emotionalen Krisen führen mit übermäßigen Anstrengungen, nicht verlassen zu werden und mit Suiziddrohungen oder selbstschädigenden Handlungen (diese können aber auch ohne deutliche Auslöser vorkommen)

  • Dramatisierung der eigenen Person, theatralisches Verhalten, übertriebener Ausdruck von Gefühlen
  • Suggestibilität, leichte Beeinflussbarkeit durch andere Personen oder Umstände
  • Oberflächlichkeit und labile Affektivität
  • Andauerndes Verlangen nach Aufregung, Anerkennung durch andere und Aktivitäten, bei denen die betreffende Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht
  • Unangemessen verführerisch in Erscheinung und Verhalten
  • Übermäßiges Interesse an körperlicher Attraktivität
  • Übermäßiger Zweifel und Vorsicht
  • Ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation und Plänen
  • Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert
  • Übermäßige Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit und unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschlichen Beziehungen
  • Übermäßige Pedanterie und Befolgung von Konventionen
  • Rigidität und Eigensinn
  • Unbegründetes Bestehen auf der Unterordnung anderer unter eigene Gewohnheiten oder unbegründetes Zögern, Aufgaben zu delegieren
  • Aufdrängen beharrlicher und unerwünschter Gedanken oder Impulse
  • Andauernde und umfassende Gefühle von Anspannung und Besorgtheit
  • Überzeugung selbst sozial unbeholfen, unattraktiv und minderwertig im Vergleich zu anderen zu sein
  • Ausgeprägte Sorge in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden
  • Abneigung, sich auf persönliche Kontakte einzulassen, außer man ist sicher, gemocht zu werden
  • Eingeschränkter Lebensstil wegen des Bedürfnisses nach körperlicher Sicherheit
  • Vermeidung sozialer und beruflicher Aktivitäten, die zwischenmenschliche Kontakte voraussetzen, aus Furcht vor Kritik, Missbilligung oder Ablehnung
  • Bei den meisten Lebensentscheidungen wird an die Hilfe anderer appelliert oder die Entscheidung wird anderen überlassen
  • Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen anderer
  • Mangelnde Bereitschaft zur Äußerung angemessener Ansprüche gegenüber Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht
  • Unbehagliches Gefühl beim Alleinsein aus übertriebener Angst, nicht für sich allein sorgen zu können
  • Häufige Angst von einer Person verlassen zu werden, zu der eine enge Beziehung besteht und auf sich selbst angewiesen zu sein
  • Eingeschränkte Fähigkeit, Alltagsentscheidungen zu treffen ohne ein hohes Maß an Ratschlägen und Bestätigung von anderen

Eine Persönlichkeitsstörung mit mindestens 5 der folgenden 9 Merkmale:

  • Größengefühl
  • Phantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Schönheit oder ideale Liebe
  • Gefühl der Einmaligkeit
  • Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung
  • unbegründete Anspruchshaltung
  • Ausnützung von zwischenmenschlichen Beziehungen
  • Mangel an Empathie
  • Neidgefühle oder Überzeugung, beneidet zu werden
  • arrogantes, hochmütiges Verhalten

Eine Persönlichkeitsstörung, auf die mindestens 5 der folgenden 7 Kriterien zutreffen:

  • Verschleppung von Routineaufgaben (auf die andere warten)
  • ungerechtfertigter Protest gegen gerechtfertigte Forderungen
  • Trotz, Reizbarkeit oder Streitlust bei unwillkommenen Bitten
  • Kritik oder Verachtung von Autoritätspersonen
  • langsame oder schlechte Arbeit an unliebsamen Aufgaben
  • Nichtleisten eigener Anteile an gemeinsamen Aufgaben
  • Verpflichtungen werden „vergessen“

Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung

Die Belastung muss so extrem sein, dass die Vulnerabilität der betreffenden Person als Erklärung für die tiefgreifende Auswirkung auf die Persönlichkeit als Erklärung nicht ausreicht wie Folter, Katastrophen, andauernde lebensbedrohliche Situationen. Eine posttraumatische Belastungsstörung kann dieser Form der Persönlichkeitsstörung vorausgehen.

Folgende Merkmale müssen vorliegen, die bei dem Betreffenden zuvor nicht beobachtbar waren:

  • Eine feindliche oder misstrauische Haltung der Welt gegenüber
  • Sozialer Rückzug
  • Gefühl der Leere oder Hoffnungslosigkeit
  • Ein chronisches Gefühl von Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein
  • Entfremdung

Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach psychischer Krankheit

Diese Persönlichkeitsänderung kann nicht durch eine vorherbestehende Persönlichkeitsstörung erklärt werden. Diese Änderung der Persönlichkeit entwickelt sich nach der klinischen Rückbildung einer psychiatrischen Störung, die als emotional  extrem belastend und als zerstörerisch für das Selbstbild des Betroffenen erlebt wurde.

Folgende klinische Merkmale gehören dazu:

  • Hochgradige Abhängigkeit sowie Anspruchshaltung gegenüber anderen
  • Überzeugung durch die vorangegangene Krankheit verändert oder stigmatisiert worden zu sein
  • Passivität, verminderte Interessen und Vernachlässigung von Freizeitbeschäftigungen
  • Ständiges Klagen, krank zu sein, oft verbunden mit hypochondrischen Beschwerden und kränkelndem Verhalten
  • Dysphorische oder labile Stimmung
  • Deutliche Störung der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit

Behandlungsmethoden

Verhaltenstherapie mit einem interdisziplinären Ansatz

Operante Verfahren (z.B. M. Hautzinger, M. Rinck) sind Therapietechniken, die lerntheoretische Prinzipien gezielt nutzen.

Der Sokratische Dialog (z.B. H.H. Stavemann) ist eine Methode, mit der der Therapeut den Patienten durch gezieltes Fragen selbst zu neuen Erkenntnissen führt.

Selbst-Management-Therapie (z.B. F.H. Kanfer,H. Reinecker, D. Schmelzer) ist eine Methode der Verhaltenstherapie, begründet von Kanfer, Reinecker und Schmelzer, um das Selbstmanagement des Patienten zu verbessern. Das Therapieziel ist die Selbststeuerung als auch die Fähigkeit, Probleme möglichst aktiv, selbstständig und effizient zu bewältigen.

Das therapeutische Rollenspiel (z.B. D. Zimmer) ist eine verhaltenstherapeutische Technik, um neue Verhaltensmuster einzuüben. Sie gilt als zentrales Element in der Verhaltenstherapie. Probleme und Konflikte werden nachgestellt und durch Rollenverteilung von verschiedensten Seiten beleuchtet. Ziel ist es, das selbstsichere Verhalten zu fördern.

Das soziale Kompetenztraining (z.B. R. Ullrich, R. de Muynck) ist ein Verfahren in der Verhaltenstherapie, das ermöglichen soll, durch standardisierte Trainingsmethoden die Selbstsicherheit, das Selbstvertrauen und das sozial kompetente Verhalten des Patienten zu erhöhen, um durch die Basis der Verhaltens- und Einstellungsänderung zu einer Neuerfahrung bislang vermiedener sozialen Situationen ohne negative Konsequenzen zu kommen.

Die Konfrontationstherapie (z.B. T. Teismann, J. Margraf) ist eine verhaltenstherapeutische Methode, die vor allem in der Behandlung von Panikstörungen, Zwängen  und Ängsten eingesetzt wird. Im Verlauf der Therapie lernt der Patient sich mit den angstauslösenden Situationen oder Reizen gezielt auseinanderzusetzen.

 

EMDR (Eye-movement Desensitization and Reprocessing = Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen) (F. Shapiro) ist eine von der US Psychologin Francine Shapiro 1995 entwickelte Behandlungsmethode der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Der Patient konzentriert sich auf eine belastende Situation, während er gleichzeitig der Hand des Therapeuten folgt während dieser die Hand abwechselnd nach rechts und links bewegt. Das Gehirn wird dadurch angeregt, diese negative Erfahrung neu zu verarbeiten, die eigenen Selbstheilungskräfte zu aktivieren und das belastende Ereignis zu verarbeiten.

Bei den kognitiven Verfahren (z.B. A. Beck) wird an der Art und Weise des Denkens gearbeitet. Sie fokussieren sich auf den Abbau negativer Einstellungen und dysfunktionaler Gedanken. Ziel ist es somit, falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und dann zu ändern.

Die Schematherapie (J.Young) wurde in den 1990er Jahren von Jeffrey Young in den USA entwickelt und ist eine Weiterentwicklung der kognitiven Verhaltenstherapie, v.a zur Behandlung chronischer Persönlichkeitsprobleme. Sie ist eine integrative Psychotherapie und erweitert somit das kognitiv verhaltenstherapeutische Modell und Vorgehen mit Ansätzen aus der Bindungstheorie (Bowlby), der Gestalttherapie (Perls), Ego-state Therapien (Watkins), emotionsfokussierten (Greenberg) und psychoanalytischen (Freud) Auffassungen. Das wesentliche Ziel der Schematherapie ist die Heilung früher maladaptiver Schemata. Schemata sind dauerhafte, ungünstige Muster von Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen, die das Verhalten in einer konkreten aktuellen Situation steuern. Diese negativen Selbstschemata bilden sich als Reaktion auf frühe negative Erfahrungen aus. Dieses maladaptive Schema-Coping führt zur Aufrechterhaltung der negativen Selbstschemata, die sich zunehmend festigen und dauerhaften Leidensdruck und Vulnerabilität verursachen.

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie – DBT ( M. M. Linehan) wurde in den 1980er Jahren von Marsha Linehan (University of Washington, Seattle, USA) als störungsspezifische ambulante Therapie für chronisch suizidale Patientinnen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) als auch für Patienten mit chronischen Depressionen entwickelt und gilt derzeit als das am besten wissenschaftlich abgesicherte Verfahren. Methodisch integriert die DBT ein weites Spektrum der Verhaltenstherapie, der kognitiven Therapie, der Gestalttherapie, der Hypnotherapie und dem Zen (Zustand meditativer Versenkung). Selbstbeobachtungsprotokolle, Verhaltensanalysen, Fertigkeitentraining zur Stresstoleranz, zur Emotionsmodulation, zur Verbesserung der inneren Achtsamkeit, zur Erhöhung zwischenmenschlicher Fertigkeiten, Verbesserung des Selbstwertes als auch der Körperwahrnehmung sind wesentliche Inhalte der DBT, die zur Stabilisierung dieser chronisch erkrankten Patienten führen.

Die Traumatherapie  (z.B. G. Pieper; A. Ehlers und D. Clark) ist eine psychotherapeutische Methode, die zur Bewältigung von traumatischen Störungen, insbesondere der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als auch der komplexen PTBS eingesetzt wird. Typische Symptome sind  ein ungewolltes Wiedererleben von Aspekten des Traumas z.B. in Form von „Flashbacks“ oder Alpträumen, erhöhte Erregung wie Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen; Scham, Schuld, Wertlosigkeit als auch übermäßiges Mißtrauen in sozialen Situationen  sind Folgen sowie die Vermeidung von Situationen, Gesprächen und anderen Reizen, die an das Trauma erinnern.

Die Traumatherapie hilft Menschen, schlimme Erlebnisse zu verarbeiten, die das eigene Weltbild erschüttert und Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein hervorrufen haben. In der Traumatherapie lernen die Betroffenen ihr Leben wieder in die Hände zu nehmen und nach vorne zu blicken (Reddemann 2001).

Die Traumatherapie basiert auf einer Kombination von stützend stabilisierenden als auch kognitiven Techniken verbunden mit Expositionsverfahren. In-vivo-Exposition mit Reizen, die an das Trauma erinnern, aber bisher vermieden wurden (Ehlers und Clark 1999) als auch die EMDR (Eye-movement-Desensitization and Reprocessing) werden angewandt, damit der Patient das traumatische Erlebnis als Teil der Vergangenheit zu akzeptieren lernt (Pieper 2021).

Das Anliegen der euthymen Therapie (R. Lutz) ist es, dass der Patient lernt, sich ein gutes Leben (wieder) einzurichten. Das Metaziel ist die Selbstfürsorge.

Atem als auch Stimmübungen (z.B. C. Schlaffhorst-H. Andersen) reduzieren den Stresspegel des Patienten. Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson basiert auf der An- und Entspannung verschiedener Muskelpartien. Sie ist eine wissenschaftlich fundierte und leicht zu lernende Entspannungstechnik. Ziel ist es, eine Senkung der Muskelanspannung und verbesserten Körperwahrnehmung zu erreichen. So sinkt z.B. der Blutdruck, der Pulsschlag, die Darmtätigkeit wird ruhiger als auch die Atmung.

Der Körper gehört von Anfang an dazu. Das Körpererleben kann Gefühle moderieren und so in der Gegenwart den Selbstzugang fördern. Das Körpergedächtnis hilft dabei, effektiv in die Biografiearbeit einzusteigen (z.B. M. Langlotz-Weis).

Achtsamkeitsbasierte Übungen (J. Kabat-Zinn) sind Übungen, bei denen der Patient das Bewusstsein trainiert, gleichzeitig Stress als auch die innere Unruhe abbaut und langfristig die Entspannungsfähigkeit dadurch gefördert wird.